GRAF+ZYX : Einleitung
Diese Installation ist wie viele unserer Arbeiten nicht als konkret fassbares, geschlossenes Kunstwerk konzipiert, mit der spekulativen Aufgabe, linear und schnell zu entschlüsselnde und reverbalisierbare Botschaften und Inhalte zu transportieren [diese durch Codierung aufwertend], sondern in erster Linie als Konstruktion eines Ambientes, eines mutierenden Stimmungsbilds, das fast immer das Ergebnis einer zunächst ungefilterten Innenschau ist, die ohne Ausreden und ohne Umweg über Referenzen und rezeptionserleichternde [Pseudo-]Sinngebung ausschließlich unter Verwendung authentisch eigenproduzierter Materialien in optische und akustische Formensprache umgesetzt wird.
Unser künstlerisches Interesse lag immer schon in der Erfindung künstlicher Situationen und Räume unter Anwendung der neuen Medien wie Video, Fotografie und Musik, aber auch der traditionellen bildnerischen Techniken, gleichzeitig ist unser Gestaltungsprinzip immer unter die Prämisse »Ästhetisierung des Alltags« gestellt, was konkret heisst, dass der Künstler in reale Alltagssituationen soweit eingreifen muss, dass diese ihre Bedeutung für den Alltag verlieren und durch diesen radikalen und massiven Eingriff neue ästhetisch-inhaltliche Qualitäten entstehen.
tamara star|R| : der raum, in dem die zeit lebt
die mixed-media-installation von GRAF+ZYX »der schlaefer, die larve, … \unddiezeit\« stellt sich als eine »inszenierung eines hypothetischen konstrukts« zur zeit dar, das mit den verschiedensten künstlerischen ausdruckmitteln wie körper, stimme, musik und geräusch – sozusagen den basiselementen der darstellenden kunst – sowie dem starren und dem beweglichen der bildenden kunst perfekt an der bruchlinie zwischen abstraktem und gegenständlichem operiert.
die erzählung, eine »umschreibung« des emotionalen zustands der unfähigkeit zur wahrnehmung von zeit, ist den vorwissenschaftlich-philosophischen gefühlen des menschen[nur?] wohl vertraut und wäre mit der exaktesten wissenschaftstheorie nicht besser zu definieren, als es mit dieser arbeit instinktiv geschieht.
eine dauer oder eine grenze der handlung ist nirgends genau festgelegt. sie könnte von einer millisekunde bis in die ewigkeit reichen und/oder gleichzeitig in verschiedenen dimensionen und/oder gleichzeitig in verschiedenen welten und/oder am selben ort zu verschieden zeiten stattfinden und während die bildfahnen – eine »ikonografie des stillstands« symbolisiered – handelnde hilflos in die starre geometrie des zeichenstifts und des wortfragments einbinden [wie bei einem schnappschuss immer eine millisekunde zu spät und mit garantiert dem falschen ausschnitt, aber für eine ewigkeit in dieser haltung eingefroren] treiben im video dieselben, mittels rhythmik, animation, gesang und text streng strukturiert und definiert, dennoch expandierend, haltlos und sich auflösend – ja sich verlierend – durch zeit und raum. vorangetrieben ins überall und nirgends und ohne ziel. diese handelnden sind gleichermaßen objekt und subjekt, real und fiktiv, vergangenheit und zukunft.
geschickt werden – wie in der gesamten installation auch – in der videoarbeit aktuelle künstlerische konstruktionen mit persönlichen artefakten [z.b. 25 jahre alten »authentischen trash-movies« aus der vergangenheit der künstler] verknüpft und gerade in dieser gratwanderung zwischen »kontrolliertem gefühl« und »hemmungslosem intellekt« liegt der besondere reiz dieser produktion.
dem rezipienten allerdings wird theoretisches verständnis bei gleichzeitig emotionaler teilnahme und einer flexibilität, fremde gedankensprünge aufzunehmen, abverlangt und bei dieser attacke auf seine wahrnehmungsfähigkeit wird er in das ungewohnte, beunruhigende spannungsfeld eines »intellektuellen genusses« eingeführt. als apperzepient einmal in diese hybride welt der beschleunigten darstellung und der permanent langsamen räumlichen bewegung eingetaucht, bringt ein videoloop [nach 28 minuten] endlich die erleichterung in einer wiederschau auf formal bereits vertrautes und verführt bis an die grenze zur trance. diese stimmung wird je nach standort des betrachters entweder von der musik getragen oder lautstark vom immerwährenden rauschen der lüfter untermalt.
© tamara star|R|
GRAF+ZYX : Reisen vor der Zeit
Die Arbeiten von GRAF+ZYX sind interdisziplinär geprägt und in den Bereichen Installation, Raum, Skulptur in Verbindung mit Musik/Ton angesiedelt. Die neuen Medien und deren technische Entwicklung – die sie kritisch beobachtend zur Grundlage ihrer sinnlichen Arbeiten machen – werden in Konkurrenz zu persönlichen spirituellen und physischen Erfahrungen immer als Mittel zur Dekonstruktion traditioneller [auch künstlerischer] Disziplinen und Haltungen eingesetzt.
In aufwendigen Gestaltungsprozessen werden Bild und Ton – [Schlüsselbegriff »strukturelle Interferenzen«] – solange moduliert, überlagert, vernetzt, reduziert, zerstört und wieder neu zusammengefügt, bis daraus das »mediensynthetische« Material für komplexe Programme entsteht.
Diese hybride Mischung von Konstruktion, Bild, Klang, Stimme fungiert als Schnittstelle zwischen Fassbarem und Imaginärem, zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Alle Medien werden eingesetzt, um damit eine »künstliche« Idee, ein Gespinst »scheinbarer« kultureller Identität zu konstruieren, das zeitlose, eigenwillige aber auch abstrakte Inhalte transportiert und damit Aussagen ironischer Positionen des persönlichen Widerstands materialisiert.
Durch ihre subversive Konterhaltung, dem Drang nach absoluter Gestaltungsfreiheit und dem persönlichen Rückzug [»nur nicht in der Masse schwingen«] manövrieren sich die beiden Künstler bewusst in ein kulturelles Exilantendasein, um daraus die nötige Distanz für intensive künstlerische Experimente radikalster Prägung zu gewinnen. Als Ergebnis präsentieren sich Produktionen mit einem Ausdruckspotential, das von minimalisierten Klängen und Bildern bis zu aufwendig durchkomponierten Modellen und Konstruktionen reicht.
Zur Ausstellung erscheint die DVD-R »DER SCHLAEFER, DIE LARVE, …\unddiezeit\« V.2.0
In diesem für die Mixed-Media-Installation der »DER SCHLAEFER, DIE LARVE, …\unddiezeit\ V.2.0« zusammengestellten Videoprogramm werden Musikvideos aus »DER SCHLAEFER, DIE LARVE, … \unddiezeit\« [2005] mit Teilen aus der neuen Produktion für 2006 – »VASARELY und die TURBULENZ« – zu einem halbstündigen, hybriden Mix zwischen Musikvideoclip und Experimentalvideo kombiniert. Dieses »ZENTRALVIDEO« wird mit einem speziell auf die besondere Raumsituation in Graz abgestimmten linken und nach rechts gespiegelten »SEKUNDÄRVIDEO« zu einer Triple-Projektion erweitert