2015 Code versus Autonomie – Konzept und Disorder reloaded

Eigentlich war es vorhersehbar: Die dem Jahr 2014 zur Seite gestellte, ursprünglich spontane und fast freie Assoziationskette Code versus Autonomie – Konzept und Disorder hat es in sich, verträgt es leicht und verdient es aufgrund ihrer Komplexität und – weitergedacht – kunstpolitisch potenziell fatalen Konsequenzen auch, den Projekten im Tank noch länger als begleitendes thematisches Gerüst, Motor und Rahmen bis hin zur Basis für einen der Industrie abgeschauten kunsttheoretischen CIP [Continuous Improvement Process] zu dienen:

Auf der einen Seite kennen wir eine von Konzepten und Theorien ausgelöste und geprägte Kunst – meist eine Kunst der verschlüsselten Botschaften und Kampagnen, die sich dem jeweils den Entscheidungsträgern mehrheitlich gemeinsamen, unausgesprochenen aber dennoch überraschend klar zu beschreibenden Definitionscode dessen, wie Kunst (oder auch gleich die ganze Welt) gerade zu sein hat, wie einem Modetrend anpasst bis unterwirft. Hier wird stets nach dem erleichtert verstehenden Applaus der ‘breiten Masse’ der Rezipienten und Sponsoren geschielt. Betont konzeptuelle Ansätze erleichtern zudem den überwiegend unkünstlerischen, auf rein intellektuelle Analyse und Interpretation reduzierten Zugang des aktuellen kuratorischen Personals fast aller relevanten Häuser zu künstlerischer Arbeit.
In diesem Feld interessieren uns allerdings nur mehr jene Arbeiten, deren Konzepte so genial konstruiert und formuliert sind, dass sie zu einem virtuosen Theorie-Palaver mutieren an der Grenze zur freien Assoziation, zu einer vorwiegend musikalisch genießbaren Abfolge von Worthülsen, einem kulinarisch-pseudologischen und dennoch, ohne Notwendigkeit der Überprüfung seiner Sinnhaftigkeit, auch intellektuell überzeugenden Blendwerk, einem Etwas zwischen Sprach-, Wissenschafts-, Philosophiekunst, bei dem man gern auf die Frage nach der Realisation dieses Konzepts vergisst, weil diese unnötig bis unmöglich wäre. Dieses Etwas genügt künstlerisch sich selbst, provoziert keinerlei Wunsch nach Umsetzung und könnte allenfalls eine Partiturskizze, eine Markierung hergeben für andere, die in Anlehnung, Abgrenzung, Umkehrung oder Ignoranz und Verweigerung des ‘Plans’ autark bildende Kunst generieren.

Andererseits kämpft sich schon immer eine bewusst autonome Kunst durch, die sich nicht um Mainstreams schert, sich ohne manipulative Hintergedanken aus dem Korsett vorangestellter oder oft auch nachträglich (Kunsttheorie, Masse und Markt zuliebe) konstruierter Konzepte und Codes freischießt zugunsten einer eben gerade verbal nicht plan-, erklär- und analysierbaren, entropischen Manifestation künstlerischen Genies. Sollten dabei neue Mainstreams entstehen, werden sie konsequenterweise sofort wieder verlassen. Diese Bevorzugung des Unangepassten, Unordentlichen bis Chaotischen, Irren und Seltsamen klingt nach Elite und ist auch genau so gemeint.

Da in diese Problematik auch die ewige Frage nach einer besonderen politischen oder sozialen Verantwortung von Künstler_innen der Gesellschaft gegenüber direkt und unvermeidlich hineinspielt, bieten diese beiden fundamental unterschiedlichen und unversöhnlich erscheinenden Positionen ein unerschöpfliches Thema für ein kunsttheoretisch begleitendes Fachwerk.