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Realität frisst Kunst

Die primäre Aufgabe von Kunst kann nicht die Thematisierung von Vorgängen oder Zuständen der (nicht nur Alltags-)Realität sein; dafür stehen relativ unmissverständlichere (weil zumindest postuliert uncodierte) wissenschaftliche Kommunikationswerkzeuge und -methoden zur Verfügung. Wir sehen das Feld der Kunst vielmehr im Schaffen möglichst (nicht nur ästhetisch) von Grund auf neuer Wirklichkeiten, die mit verbaltheoretischen Techniken nicht beschreib- und konzipierbar, also auch nicht realisierbar sind. Selbst die Philosophie kann sich an das Wittgensteinsche Unaussprechliche nur umschreibend herantasten, ohne es jemals zu erreichen (es sei denn, sie überschreitet selbst die Grenze zur Sprachkunst).
Nur die Kunst hat die Mittel, die allgemein als real eingeschätzte Welt konsequent und für andere erlebbar zu untergraben und in jeder Hinsicht auf den Kopf zu stellen – diese privilegierte Qualität muss bevorzugt ausgenützt werden.
Gegenüber dem Variationsreichtum des auch in besonders glücklichen Ausnahmemomenten nur rudimentär vorstellbaren universalen Pools bleibt diese mehrheitlich als solche anerkannte und so genannte Realität in ihrem Angebot sowieso hoffnungslos armselig.

und Künstler fressen sich selbst

Aber auch nach der Entlassung der Wirklichkeit als bequem-anspruchslose und deshalb kreativitätsvernichtende Quelle der beruflichen Themenfindung bleiben als hemmendes Element bei der Erforschung der Vielfalt des eigentlichen Kosmos an sich noch immer wir selbst in unserer alltäglichen Beschränktheit.

it.wasn-t.us …

Deshalb reizt uns schon lange und immer öfter das genaue Gegenteil des analytischen oder emotionalen Abtauchens in die so gut wie immer enttäuschend infantil-primatenhaft-banalen Tiefen der eigenen Persönlichkeit als Methode der Ideen- und Lösungsfindung: die initiierte Verzettelung der eigenen Identität.
Dazu ist es notwendig – und gelingt zu unserer eigenen Überraschung immer wieder relativ leicht –, auch an künstlerische Entscheidungen von einer sozusagen experimentell temporär imaginierten, außerpersönlichen Plattform jenseits unseres sozialisierten Alltagsspektrums heranzugehen, also gleich von vornherein konzeptionelle und künstlerische Entscheidungen als immer andere, virtuelle Wesen zu fällen, die wir auch sein könnten, selbst und gerade wenn sie manchmal wenig Ähnlichkeit mit humanoiden Tieren, allen voran uns selbst, haben. (Dieses Modell ist uns übrigens auch in vielen anderen Entscheidungsfragen eine zumindest äußerst horizonterweiternde Ansatzhypothese gewesen: Wie würde ich als Alien entscheiden und warum tue ich es eigentlich nicht?)

… aber.dann.auch.wieder.schon

Dass es dennoch allen Arbeiten gemeinsame, wiedererkennbare Eigenschaften gibt, die eher andere, die unsere Arbeit verfolgen, entdecken als wir selbst, ist für uns beunruhigend und beruhigend zugleich, jedenfalls aber spannend genug, um als Motto für das vorliegende Zwischenresümee nach dreiunddreißig Jahren zu genügen.
Denn dieses Spannungsfeld zwischen der postulierten und stets verteidigten absoluten Freiheit in der Produktion und den immer zu engen Grenzen der individuellen Eigenschaften ist vielleicht das wesentlichste Thema unserer gesamten Arbeit und womöglich die einzige, immer attackierte und doch untrennbare Verbindung zwischen uns als Personen und unserem Werk.